Die Tücken im Regionalbahnvertrag

Unter diesem Titel wurde in den TIPS, Redaktion Rohrbach, der folgende Leserbrief am 17.12.2014 veröffentlicht:
BEZIRK ROHRBACH/LINZ. Im ersten Quartal 2015 soll der Regionalbahnvertrag unterzeichnet werden, 2020 das Konzept der Mühlkreisbahn Neu realisiert werden. Dazu hat der ehemaligen ÖBB-Regionalmanager für den Personenverkehr in Oberösterreich, Robert Struger, als langjähriger Kenner und Beobachter der Situation einige Punkte anzumerken. Hier ist sein Leserbrief zum Thema Mühlkreisbahn:
Die eilig verkündete Information des Landes, wonach der sog. Regionalbahnvertrag demnächst unterschriftsreif sein wird, birgt doch einige wesentliche Tücken. Die Landespolitik erklärt, dass alle in Betrieb befindlichen Regionalbahnen gesichert und weiterbetrieben werden. Und der (keineswegs ÖV-freundliche) Landeshauptmann sagt zum wiederholten Male, dass die Mühlkreisbahn für das Land OÖ oberste Priorität habe. Deshalb werde man ab 2020 mit der Umsetzung des Konzeptes „Mühlkreisbahn Neu" beginnen. All dies mag zwar im ersten Moment verständlich klingen, zielt aber in erster Linie darauf, die Thematik Mühlkreisbahn (in Übereinstimmung von ÖVP und SPÖ) aus dem Wahlkampf 2015 herauszuhalten. Zu sehr mag da die Erinnerung an 2008 mitspielen, wo den Bürgern des Bezirkes Rohrbach eine moderne und schnelle Mühlkreisbahn für diese (laufende) Legislaturperiode versprochen wurde, aber seither gar nichts geschehen ist - außer einigen bestellten Studien, Entwurfsskizzen von Streckenbegradigungen und öffentlichen Präsentationen, wo ohnehin  die Meinung der Bevölkerung gegen das Projekt war.
Vgl. Presseaussendung Hiesl vom 21.09.2009: … 10 Jahre ist im Öffentlichen Verkehr praktisch nichts weitergegangen. Jetzt müssen wir endlich "Nägel mit Köpfen" machen: Wir werden in der kommenden Legislaturperiode die Mühlkreisbahn deutlich attraktiver gestalten, ….Die Mühlkreisbahn zwischen Aigen und Linz wird ausgebaut. Durch kürzere Fahrzeiten soll die bestehende Verbindung für die vielen Pendler attraktiver werden. Ziel ist auch, die stark befahrene B 127 zu entlasten…. Dieses Gesamtkonzept bringt Schwung in den öffentlichen Verkehr in Oberösterreich und den Linzern und Mühlviertlern die lang erhoffte öffentliche Anbindung und … ist die beste Lösung für Linz und für das Mühlviertel. Presseaussendung Hiesl vom 22.06.2009: … stehe ich aber zu einer Schienenverbindung bis Aigen, die Einstellung wird es mit mir sicher nicht geben.
Die bisher veröffentlichten Zahlen und Statements aus der Politik sprechen eine ganz andere Sprache. In der Pressekonferenz vom 20.04.2011 wurde bekanntlich ein Variantenvergleich von 4 untersuchten Varianten vorgestellt. Letztlich wurde die teuerste und nach Meinung vieler Experten am wenigsten wirkungs- und sinnvolle Variante ausgewählt: eine RegioTram bis Rohrbach um präliminierte Kosten von € 165 Mio (gegenüber der Volleisenbahn von € 112 Mio – also Differenz € 53 Mio); bereits wenig später wurde die annähernd selbe Summe für den Ausbau bis Kleinzell (rd. €150 Mio) genannt und die Anbindung von Rohrbach (oder gar Aigen) nur mehr als Möglichkeit, wenn sich der Verkehr bis Kleinzell bewähren sollte, in Aussicht gestellt.
Es ist unbestritten, dass die Sanierung der bestehenden Bahn (in Normalspur) die kostengünstigste und wirkungsvollste Alternative ist! Denn diese lässt sich unter laufendem Betrieb (wohl mit zeitweisen Sperren) rasch und ohne große Probleme bewerkstelligen. Dazu sind kaum Genehmigungsverfahren notwendig, keine Umweltverträglichkeitsprüfungen etc. Wenn Sie bewusst am Mühlkreisbahnhof von der Straßenbahn in die Mühlkreisbahn umsteigen, dann werden Sie die auch Unterschiede augenscheinlich zu schätzen wissen: bei gleicher Länge der Triebwagen (CityRunner und Desiro!) bietet der Desiro bereits optisch wesentlich mehr Komfort, hat 50 Sitzplätze mehr, Gepäck- und  Radabstellmöglichkeit und ein behindertengerechtes WC, ist überdies wintererprobt – was im Oberen Mühlviertel nicht unbedeutend ist.
Dass die Mühlkreisbahn an das Linzer Schienennetz angeglichen werden soll, ist ja in erster Linie auf das Drängen der Stadt Linz (bzw Linz Linien – die keinen Konkurrenten in der Nähe ihres Schienennetzes wollen*)) zurückzuführen, denn auf logisch nachvollziehbare Gründe. Und dabei spielen Straßenbahn-spielende Landesbeamte, die das verkehrspolitische Vakuum um LR Kepplinger bewusst genutzt haben , eine entscheidende Rolle. Für den Fahrgast spielt die viel zitierte Attraktivität durch entfallendes Umsteigen am Mühlkreisbahnhof eine sehr untergeordnete Rolle – auch am Linzer Hauptbahnhof muss man mit wesentlich längeren Umsteigewegen zur Straßenbahn rechnen. Viel wichtiger wäre es den Bahnhof Urfahr zu einer echten Drehscheibe mit Anbindung der Straßenbahnlinien 3 und 4 (sog. 2. Straßenbahnachse) und aller innerstädtischen Busse umzubauen. Was den potenziellen Fahrgast zum Umsteigen bewegt sind vielmehr kalkulierbare Fahrzeit (es ist egal, ob man nach Rohrbach 60 oder 65 Minuten fährt), klarer Takt tagsüber und zu Tagesrandzeiten, Komfort und gutes Image!!
*) auch darüber ließe sich einiges schreiben!
Dies alles ließe sich umgehend realisieren, denn der jetzt veröffentlichte Zeitpunkt 2020 ist nichts anderes eine Verar… der Kunden. Das glaubt keiner mehr (!) und offensichtlich will man damit nur Zeit gewinnen!!
Der Verkehrsdienstevertrag mit den ÖBB läuft bis 2017 (nach Verlängerung mind. bis Ende 2019), damit hat man tatsächlich einen Partner mehr für Attraktivierungen. Denn auch den ÖBB erwachsen Verpflichtungen aus dem Vertrag. Und wenn die Almtal- und Hausruckbahn, die ebenso zur Disposition standen wie die Mühlkreisbahn, künftig bei den ÖBB bleiben sollen und das Land bei Modernisierungsmaßnahmen seinen Anteil leistet, stellt sich die Frage: warum ist dies nicht auch bei der Mühlkreisbahn möglich? V.a. wenn immer wieder betont wird, dass es sich hiebei um die wichtigste der Regionalbahnen handelt!!!
11.000 Menschen haben für die rasche Modernisierung der Bahn unterschreiben – umgelegt auf den Bezirk Rohrbach (als Beispiel) bedeutet dies 19% aller Bewohner!!! 15 Gemeinden (von aktuell 40) haben eine Resolution im Gemeinderat für eine moderne Mühlkreisbahn jeweils einstimmig beschlossen, das sind nahezu die Hälfte der Gemeinden des Bezirks. Die allermeisten Kommentare in div. Medien zum Thema Mühlkreisbahn sprechen sich mit großer Mehrheit gegen die RegioTram-Variante aus. (Als Vergleich sei hier angeführt, dass zum Thema Donaustrand in Linz rd. 8.000 Leute auf facebook gepostet haben und man diese Zahl heranzieht, um Maßnahmen für die Umsetzung zu setzen).
Die Verkehrspolitik, den ÖV betreffend, liegt in unserem Bundesland im Argen. Es wird zwar für die Verbindung der heruntergewirtschafteten Gmundner Straßenbahn mit der Schmalspurbahn nach Vorchdorf – natürlich unter dem Titel RegioTram – ein Betrag von rd. 50 Mio Euro (!) eingesetzt, ebenso wie für die Verlängerung der Salzburger Lokalbahn um rd. 3 km nach Ostermiething (rd. 3.200 Einwohner), dies sind jedoch die einzigen Projekte im Schienenbereich, die in OÖ umgesetzt werden. Hier bleibt ebenso die Mühlkreisbahn auf der Strecke, wie Planungen für eine Linzer S-Bahn angedacht werden. Dieses für den Zentralraum Linz mit seinen vielen Einpendlern eminent wichtige Projekt, wird nicht einmal ansatzweise betrieben. (Wahrscheinlich wird es zwar Anfang 2015, rechtzeitig vor der Ltg.Wahl einen Anstoß dazu geben, der aber sicher nicht mehr als eine Absichtserklärung sein wird!)
Politik muss für die Menschen der Region gemacht werden: das zeigt die große Anzahl der 11.000 Unterschriften und die Eintragungen im blog der Zugkunft Mühlkreisbahn. Noch ist es nicht zu spät die richtigen Weichenstellungen für die Mühlkreisbahn zu setzen. Aber es ist sicher nicht der richtige Weg die Region auf Kosten der Stadt Linz auszuhungern. Und es auch nicht der richtige Ansatzpunkt - aus Desinteresse mancher Politiker - die Bahn gegen andere Projekte einzutauschen. Es geht um die Zukunft der Mobilität, die sich in den nächsten Jahren grundlegend ändern wird, es geht um die kommenden Generationen, Lebensqualität und Umwelt. Es geht auch darum, dass eine stark vom Auspendeln betroffene Region ein adäquates und zukunftsfähiges Verkehrsmittel hat, um der Abwanderung entgegenzuwirken. Es geht um die Tourismusregion Böhmerwald, und die im Entstehen begriffenen Europaregion Donau-Moldau und es geht letztlich um die Zukunft des Bezirks. Und es geht nicht darum, dass den Menschen etwas vorgegaukelt wird, was eh nicht kommen wird. Eine jüngst veröffentlichte Umfrage unter jungen Menschen bis 30 kommt zum Schluss, dass 69% den Ausbau der Öffis wollen und das ist für diese Gruppe das zweit-wichtigste Thema.
von Robert Struger, Linz